Von den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Musik
Das, was das Templiner Publikum mit dem Auftritt von Dr, Pop, alias Markus Henrik erlebte, nicht einfach nur eine kabarettistisch geprägte Veralberung der deutschen und internationalen Pop- und Schlagermusik mit all ihren intellektuellen Untiefen: Es war der mehr als beeindruckende Auftritt eines Mannes, der Musiker, Musikwissenschaftler, Comedian, Kabarettist und Schauspieler in einem ist. Und ganz wichtig: Eine Rampensau, die im Alleingang eine Bühne füllt und imstande ist, einen mit über 300 Besuchern gefüllten Saal zu beherrschen, wie es am Samstag, dem 30. November im ausverkauften Multikulturellen Centrum Templin (MKC) geschah.
Bekannt wurde er in der Region unter anderem durch seine Radioeins-Kolumne „Dr. Pops Tonstudio“, in der er Pop-, Schlager- und Rocksongs auseinandernimmt, ihr Sounds und Beats analysiert, deren Herkunft checkt und etwaigen Klauereien bei älteren Stücken hinterherspürt. Das Publikum wusste also, was es erwarten konnte. Und das wurde zu 100 Prozent erfüllt. Dr. Pop raste in seinem Vortrag durch Musikgeschichte und durch die aktuelle Musikszene mit all ihren Genres gleichermaßen. Er Er persiflierte, überhöhte, ironisierte, nahm auseinander, setzte wieder zusammen. Er zeigte, welche Melodien und Rhythmen, die in aktuellen Songs verbaut sind, schon vor hunderten von Jahren von barocken und klassischen Komponisten erdacht worden waren, er wies darauf hin, wer wie beim wem geklaut oder kopiert oder sich inspirieren lassen hat. Und dabei kriegten alle ihr Fett weg: ob Grönemeyer, Udo Lindenberg, die aus seiner Sicht unsäglichen Amigos (deren Plakate er durch Leute aus dem Publikum entrollen ließ, die dann mit ihnen tanzen mussten, was ihm die Bemerkung entlockte, so lebendig habe er die Amigos lange nicht erlebt), die Beatles, die Stones usw.
Von potenten Ochsen und dichtenden Malern
Auch die textlichen Entgleisungen, die im Musik-Business immer mal wieder an der Tagesordnung sind, vor allem im deutschen Schlager und im Gangsta-Rapp, präsentiert er mit viel Genuss an der Pointe. Wenn etwa zu besten deutschen Schunkelschlagermelodien Themen wie der Kernkraftwerkunfall in Tschernobyl oder das gefährliche Leben von Obdachlosen in Bukarest verhandelt werden. Oder wenn Gangsta-Rap-Dichter zu den Erkenntnissen gelangen, dass sie potenter als ein Ochse seien (der immerhin ein kastriertes männliches Rind ist), oder dass sie entweder Goethe oder Faust lesen oder dass van Gogh ein Dichter gewesen sei, dann bleibt vor Lachen kein Auge trocken im Publikum.
Doch bei all dem Sarkasmus und der beißenden Ironie lässt Dr. Pop nie vergessen, wie sehr er die Musik liebt, wie zugewandt er dem Thema Musik ist und wie sehr es ihn auch nach jahrzehntelanger intensiver wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit der Musik immer noch berührt, dass Musik eine der wichtigsten emotionalen Ausdrucksformen des Menschen ist. Gerade weil sein tiefer Respekt vor der Musik immer zu spüren ist, wirkt seine beißende Kritik an deren oftmals durch die pure Kommerzialisierung ausgelösten Entgleisungen ehrlich, authentisch. Und natürlich durch die Tiefe seiner Kenntnis der Materie so glaubwürdig. Und durch sein musikalisches und kabarettistisches Talent sehr unterhaltsam. Ein gelungener Abend, den das Publikum mit einem riesigen Applaus feierte.