Große Emotionen und tolle Musik

Eine Bühne in der Mitte des Saals, das Publikum drumherum gruppiert und auf dem Podium fünf Stühle, auf denen zunächst vier Liedermacher Platz nehmen, ein Stuhl bleibt leer. Jeder singt ein Lied, am Ende nimmt ein Überraschungsgast auf dem fünften Stuhl Patz. So geht das fünf Runden lang. Am Ende singen die vier Liedermacher gemeinsam ein Lied. Das ist das Format des Songwriter-Circle des Templiner Musikers und Liedermacher Uwe Kolberg, das seit Jahren erfolgreich eine feste Fangemeinde ins Multikulturelle Centrum Templin (MKC) zieht. Denn sie schätzen die Spannung und Vielfalt, die sich aus diesem ungewöhnlichen Format speisen. Und so war es auch am Samstagabend, dem 20. Oktober.

Emotionale Wucht

Die Liedermacher, die diesmal auf der Bühne Platz nahmen, waren Brosie, eine aus Österreich stammende Liedermacherin, die seit Jahren in Berlin lebt, Hagen Findeis, der neben seinem bürgerlichen Beruf als Experte für Blitzschutzanlagen als Musiker unter anderem in der Band Stadtstreicher unterwegs ist, und Ludwig Wright, ein aus Hessen stammender deutsch-britischer Songwriter, der musikalische Erfahrungen unter anderem als Straßenmusiker in London gesammelt hatte.Unterschiedlicher als auf dieser kleinen Bühne konnten die musikalischen und thematischen Richtungen der vier Musiker nicht sein. Hagen Findeis beispielsweise schlug in guter deutscher Liedermachertradition in seinen deutschsprachigen Songs vor allem ernste Töne an – seine musikalische  Reflexion über den Tod seines Vaters beispielsweise entwickelte sich in ihren sprachlichen Bildern zu einer Lebensreise im Spannungsfeld von Leben und Sterben von einer großen Tiefe und emotionalen Wucht. Brosie reflektierte mit beeindruckender stimmlicher Kraft ihre eigenen Lebenswelten – vom Leben in der Fremde bis hin zu Tagträumen, die ihr beim Anblick eines attraktiven Mannes in der Londoner U-Bahn widerfuhren.

Die heilsame Wirkung von Musik

Ludwig Wright setzte kraftvoll fröhlich-dynamische Kontrapunkte zu den Songs von Findeis. Und Kolberg griff in sein umfangreiches Repertoire und sorgte beispielsweise mit einem Song gegen Rechtsradikalismus und Rassismus für einen emotionalen Höhepunkt, der das Publikum zu stehenden Ovationen hinriss.An emotionalen Höhepunkten war dieser Konzertabend ohnehin nicht arm. Schon der erste „Überraschungsgast“, der sich als ein ganzer Seniorenchor aus dem Oranienburger Pflegeheim Amandum entpuppte, veranlasste das Publikum, sich von seinen Plätzen zu erheben. Kolberg, der mit diesem Chor in Oranienburg regelmäßig arbeitet, hatte zuvor anmoderiert, dass es hier nicht um außerordentliche musikalische Qualität gehe, sondern um den Spaß an der Musik schlechthin, um die heilsame Wirkung, die Musik auf demente, alte und kranke Menschen haben kann, um Musik, die Momente der Freude und des Erinnerns schaffen kann. Die Seniorinnen und Senioren intonierten deutsche Volkslieder, wie Goethes Lied vom Knaben und der Rose, der Saal sang lauthals mit. Und die Seniorinnen und Senioren, die zum Teil mit Rollstühlen in den Saal gekommen waren, verließen ihn unter donnerndem Applaus des stehenden Publikums.Ludwig Wright fasste den besonderen Zauber dieses Abends zusammen: Selten werde es so deutlich erlebbar, welch eine Tiefe, Vielfalt und weitreichende Wirkung Musik entfalten könne, wie bei diesem Konzert, sagte er. Er sei dankbar, dass er daran teilhaben durfte.